India

Varanassi, Bihar und Agra, Uttar Pradesh – Was soll schon passieren, wenn man zweidrittel Nord-Indiens in 75 1/2 Stunden bei 40-45 Grad mit dem Zug durchquert?

Nach Kolkatta, den Bergen um Darjeeling und zehn Tagen Bodhgaya mit unserer Einführung in die Welt des indischen Buddhismus und der japanischen Meditation endschieden wir uns für eine Sightseeing-Tour, die uns von Varanassi, die Stadt der Toten, über Agrar, die Stadt des Taj Mahal, bis zu unserem Ziel nach Pushkar, Rajasthan führen sollte. Was soll schon passieren, wenn man zweidrittel Nord-Indiens in 75 1/2 Stunden bei 40-45 Grad mit dem Zug durchquert?

Dienstag 03:00 Uhr morgens. Wecker klingelt und los gehts. 04:00 Uhr Abfahr. Die vorbestellte Auto-Rikscha ist natürlich nicht da. Ein in der Garage an der Straße schlafender Rikschafahrer fuhr uns dann total schlaftrunken und zu einem völlig überzogenem Preis zum 13 km entferneten Bahnhof. Was will man schon machen: Wenn man seinen Zug bekommen will, muss man halt zahlen. Der Zug war zu spät und wir warteten mit zwei Holländern eine gute halbe Stunde, also pünktlich für Indien. Wir verbrachten die kommenden 38 Stunden mit den beiden in Varanassi, Bihar.

Varannassi ist die Begräbnisstätte der Hindus in Indien. Direkt am Ganges gelegen, dem wohl am stärksten verschmutztem Fluss der Erde, Wird hier verbrannt wer stirbt. Viele Leute kommen sogar zum sterben, um sicher zu gehen, dass ihre Seele auch auf jeden Fall ins Nirvana kommt.

1 - Panorama Varanassi Ganga View Rooftop v2

Um dem Mob am Hauptbahnhof zu engehen, verliessen wir den Zug eine Station früher und konnten gemütlich in eine Rikscha steigen. Die brachte uns natürlich nur an den Rand der Altstadt, da beim verlassen bzw. betreten der etwas verkehrsberuhigteren Altstadt-Zone (sprich: trotzdem normales Chaos), etwas Bakschisch (Hindi für Geschenk) für die “den Verkehr regelnde”-Polizisten fällig ist. Und den Teil wollte der Rikschafahrer nicht zahlen. Also hieß es laufen. Der Kollege des vehrkehrsregelnden Polizisten wollte uns im vorbeigehen eine “in der Zone erlaubt” Rikscha vermitteln. Wir verzichteten jedoch dankend und entschieden uns trotz der Mittagshitze die 15 min zum Hotel zu laufen. Nach einem großen Brunch und gemütlichen sitzen auf der Dachterasse entschieden wir uns gegen 16:00 Uhr die Ghats (Bäder am Fluss) und Verbrennungszeremonien mal näher anzuschauen. Bilder dürfen bei diesen Zeremonien nicht gemacht werden, 100 Rupien Spende hat mich diese “Sünde” (oder wie auch immer die Hindus dies nennen) gekostet. Die Asche wird nach der vollständigen Verbrennung im Ganges verstreut. Riecht übrigens nicht so schlimm beim offenen Holzfeuer, da der Priester ein paar Kräuter darauf verteilt. Wer sich das Holz nicht leisten kann (wird hier per Kilo verkauft), der muss auf die Billigeinäscherung zurückgreifen. Der Ofen ist jedoch zur Zeit kaputt.

Der nette Inder neben uns, der das Ritual erklärte, wollte natürlich seine Seidenprodukte an den Mann/die Frau bringen und zeigte uns einige Kinder bei der Arbeit und versicherte uns selbstverständlich, dass seine Produkte nicht von Kindern gemacht werden. Wir genossen den guten Chai (Milchtee mit Gewürzen, den man in Indien an jeder Ecke bekommt) und nahmen einen Schaal mit.

3 - Marianne and Sahri

Auf dem Weg zurück gerieten wir in die allabendlichen Zeremonien und genossen das Spektakel und das wohlverdiente Bier beim Dinner.

Nach 6 Stunden schlaf ging es am Mittwoch Morgen um 05:00 Uhr weiter. Nach dem Sonnenaufgang auf dem Wasser mit anschließend stressfreiem Altstadtspaziergang und Käsefrühstück, dem Ersten seit einer ganzen langen Weile, …

… ging es Richtung Universität. Riesieger aber langweiliger Campus. Also auf zum Fort, welches wir aufgrund des 1000% Preisaufschlag für Ausländer nicht vollständig besichtigten. Da soll sich bei uns mal noch einer über das ungenügenden Antidiskrimminierungsgesetz der EU aufregen! Mit der Rikscha gings weiter, über die Pontonbrücke, die uns über den Ganges führte, …

… und mit dem Boot bei Nachmittagssonne wieder zurück in die Altstadt von Varanassi. Da musste das Fischerboot erstmal entwässert werden. “Der wohl am stärksten verschmutztem Fluss der Erde” und “vom Fluss lebende Fischer” sind trotzt “die Asche wird nach der vollständigen Verbrennung im Ganges verstreut” keine sich ausschließenden Wahrheiten.

Ein entspannter Gang zurück zum Hotel und froh, das die Temperatur langsam unter 40 Grad sank, ließen wir den Tag mit einem guten Dinner ausklingen. Am Abend mussten wir auch schon wieder los zum Zug. 38 Minuten mit der Rikscha durch die staubige Prärie Varanassies und um 23:12 ging es pünktlich im klimatisiertem Schlafwagen nach Agra, Uttar Pradesh.

Agra ist ein riesieger Slum, an dessen Rande sich das Taj Mahal und das größte Fort Indiens befinden. Also war der Plan: 12 Stunden Touritour und dann nichts wie weg ins ruhige und farbenfrohe Rahjastan. Der Plan war schonmal hinfällig, da der Zug am Donnerstag Morgen nicht 07:30 Uhr, sondern erst drei Stunden später sein Ziel erreichte. Wir verstauten unsere Sachen in einem Restaurant, wo wir abends auch duschen gehen konnten. Anschließend ging es bei brüllender Hitze zum Taj Mahal. Beeindruckend!

Das beste am danach besuchten Fort ist der Blick aufs Taj Mahal. Aber wenn man sich vorstellt, wie es vor 400 Jahren aussah, als der Maharadscha regierte, der das Taj Mahal für seine verstorbene Frau bauen ließ, kommt man ins Land von tausendundeiner Nacht.

Das Baby Taj auf der anderen Flußseite is ganz nett und vor allem fast ohne Touristen, …

… dann Sonnenuntergang beim Dinner mit Blick aufs Taj Mahal und dann war die heißeste aller jemals erlebten Touritouren in Agrar endlich beendet. Auf zum Zug und pünktlich 19:30 auf nach Ajmer, Rajasthan. Der Zug sollte um 3:30 Uhr morgens ankommen, war aber schon ne halbe Stunde früher da. Super! Was macht man um solch eine Zeit in Ajmer einer stink normalen 500.000 Einwohnerstadt, 12km von Pushkar entfernt (15.000 Einwohner)? Man bleibt, weil in Pushkar garantiert nichts los ist und sitzt ein wenig die Zeit ab. Man versucht, das Bussystem zu verstehen und gibt dann gegen 05:30 Uhr morgens auf und fährt die zwölf Kilometer mit der Auto-Rikscha in den Sonnenaufgang. Um halb sieben morgens fällt man geschafft aber glücklich im Hotelzimmer um, und freut sich darauf, einen Ort in aller Ruhe über die nächsten zehn Tage kennenzulernen. Der Blick vom Balkon ist schonmal vielversprechend.

Panorama Valley Pushkar hotelview

 

*** Kritikpunkt Kinderarbeit***

***Nach einem Monat bettelnder Kinder bekommt man eine etwas andere Sicht auf die Dinge.
Mein Gegenargument zu: “Damit unterstütz du Kinderarbeit!”
Beim betteln lernt man zwar Englisch und kann später viel Geld damit verdienen, Touristen übers Ohr zu hauen und dann überteuerte Sachen zu verkaufen, aber man kann die Sachen problematischer Weise nicht herstellen. Der Wirtschaftswissenschaftler argumentiert dann, kein Problem, kann er ja kaufen und dann verkaufen. Problematisch ist aber, wenn man aus einer falschen Kaste kommt oder einfach kein Geld dafür hat.
Folglich müssen/sollten die Kinder etwas lernen.
Wenn Schule aufgrund von finanziellen Problem nicht geht, bleibt nur noch schneidern. Wenn wir die Sachen dann nicht kaufen, hab ich noch mehr bettelnde Kinder um mich herum. Dann muss ich umso mehr auf meine innere Stimme hören, die mir sagt: “Gib den Kindern nichts, da sie als erstes etwas richtiges lernen und zur Schule gehen sollten”.
Was tun? ***

 

Categories: India

Leave a Reply